7.7. 2024, Nootka
Heute war unser einziger voller Tag und den wollten wir voll ausnutzen. Wir standen 4:30 auf und nach einem Fruehstueck donnerten wir bei herrlichem Sonnenaufgang den Fjord hinaus. Es war wirklich windstill aber ruhig war das Wasser trotzdem nicht. Man konnte besser vorankommen als gestern aber gegen die Wellen fahren war trotzdem unbequehm. Was machen die bloss dort drueben in Japan das es hier trotz keinem Wind noch so herumschwappt!? Alex hatte eine Tablette eingeworfen und war dadurch noch extra muede und hatte sich gleich ein Schlafnest unter Deck gemacht. Ricardo und ich beschlossen weit nach Nord-West bis zum Beano Creek zu fahren. So weit kommt man nur an ruhigen Tagen. Dort gibt es eine schoene Bucht mit Kelpguertel und einer Untiefe in der Mitte wo man immer schoen Kreise drumherum schleppen kann. Die Untiefe zieht allerlei Futter an und die Lachse kommen hier gerne vorbei um mal hier und da zuzuschnappen. Wir hatten die Stelle mit 2 anderen Booten fuer uns alleine. Schnell waren wieder 2 Ruten im Einsatz. Jetzt musste es doch mal rappeln! Aber es dauerte ca. 1h bis der erste Biss kam. Aus dem Nichts riss es ploetzlich wie verueckt an der Flash Fly Rute. Ricardo sass gleich daneben und parierte sofort. Ein paar schoene Fluchten und dann blitzte es silbern hinter dem Boot auf. Ein ca. 10-12 Pfuender. Knapp gehakt; wir beschlossen den wieder freizulassen. Da kommt bestimmt noch Groesseres. Ich wollte auch maximal nur 3-4 Lachse mitnehmen.
Ein Nachbarboot hatte jetzt etwas weiter draussen einen Fisch dran und ich schleppte in die Richtung. Da ruckte wieder die Rute auf Ricardo’s Seite los und Ricardo schaute mich fragend an und ich winkte ab. So schnappte er sich wieder die Rute und war wieder in einen sportlichen Drill verwickelt. Ich hatte die zweite Rute erstmal noch dringelassen und war langsam weitergefahren. Da ruckte auch die zweite Rute los und ich griff sie mir, hieb an und rief “Fish On!”. Doppelbiss! Aber bald stellte sich heraus das mein Fisch eine andere Klasse war – leider eine untere Gewichtsklasse. Ich brachte einen halbwuechsigen Kupfer-Felsenbarsch ans Boot waehrend Ricardo noch lustvoll drillte. Dann kam auch sein Fisch heran – wieder so ein Chinook in der unteren Teenerklasse. Durfte auch wieder wegsaussen. Wenn das mal kein Fehler war. Dann schleppten wir vielleicht 2h ohne weiteren Fischkontakt weiter. Das war seltsam ruhig. Ich bemerkte, das das Wasser ungewoehnlich truebe war. Das konnte nicht gut fuer die auf Sicht raubenden Lachse sein. Nahe am Gezeitenwechsel zog ich unsere Bahn etwas weiter raus, ueber vielleicht 30m tiefen Wasser. Alex war jetzt endlich wach und kam heraus.
Wir quatschten gerade mal wieder ueber das unglueckliche EM-Aus fuer Deutschland als die Blinkerrute vor Alex’ Nase wie wild nach hinten gerissen wurden. Sofort schrie die Rolle foermlich auf. Wow, was fuer ein Biss! Der Fisch musste schon mit 50 km/h angerauscht gekommen sein und hatte in voller Fahrt den Koeder mitgenommen! Alex bekam kaum die Rute aus dem Halter, so gross war der Zug nach hinten. War das der Grosse? Ricardo und ich raeumten das Deck auf und entfernten alle moeglichen Hindernisse fuer eine erfolgreiche Landung. Nach der ersten rasanten Flucht schien der Fisch allerdings ausgepowert oder sparte sich die Energie fuer spaeter. Langsam brachte Alex den Gegner naeher. Dann sahen wir das erste Mal die Schwanzflosse auftauchen. Kein Monster aber der Groesste des Tripps bisher. Ich sagte das natuerlich auch laut zu Alex, der mich daraufhin strafend ansah weil er diesen extra Druck nicht mag. Ricardo und ich lachten uns an. Der Chinook sass nun stur 2m tief neben dem Boot. Ich sagte Alex das der nochmal Energie ablassen muss sonst geht die Landung schief. Ein so frischer Lachs neben dem Boot is ein Rezept fuer ein Desaster. Ich nahm den Kescher und platschte einmal hart auf die Wasseroberflaeche ueber dem Lachs und jetzt ging nochmal die Post ab. Er raste wieder davon und Alex liess ihn ziehen. Das ging noch ein paar Minuten hin und her und zweimal schraubte sich der Lachs noch voll aus dem Wasser. Hoffentlich blieb er dran!
Als er dann endlich muede schien, zerrte Alex den Fisch, auf Knien stehend, nahe zum Boot wo ich ihn mit dem Kescher erreichte. Geschafft! Gewonnen! Ein schoener vielleicht 18 Pfuender kam an Bord. Feine Sache. Und was fuer ein Hammerbiss! Vielleicht ging jetzt die richtige Beisszeit los? Leider nein. Wir drehten etliche Runden in der Gegend und hatten keinerlei Fischkontakt mehr. Wir registrierten paar Mal kurze Rucke an den Leinen und fanden Schleimspuren an Flasher und/oder Koeder nachher. Quallen. Und die Truebheit hatte weiter zugenommen. Das sah wie eine Algenbluete aus. Wir setzten nach Sued-Osten um wo mehrere Boote die Wash Rock Gegend bearbeiteten. Dort war das Wasser noch trueber – man konnte kaum noch einen Meter tief sehen. Braune Algenstuecke klebten an der Angelschnur fest. Das konnte nichts Gutes heissen. Das Meer war nun wie ausgestorben. Kaum noch Futterwolken auf den Echo und Stunden ohne Biss. Nicht mal ein einziger Kleinlachs/Shaker. Das war bedenklich. Wir schleppten nun ein Koeder wieder grundnah und ploetzlich riss es wieder gewaltig an der tiefen Rute.
Ricardo setzte den Haken in etwas Schweres, meinte er, und gab mir die Rute. Ja, es war schwer aber kaempfen tat es nicht wirklich. Das fuehlte sich wie ein Butt an der noch nicht gemerkt hatte, dass er gehakt ist. Stueck fuer Stueck pumpte ich den Gegener hoch. Durch das truebe Wasser konnten wir erst erkennen was es war, als der Fisch 10m hinter dem Boot die Oberflaeche erreichte; tatsaechlich, ein kleiner Butt! Ich brachte den Butt, der nur knapp hing, vorsichtig bis neben das Boot wo ihn Alex mit dem Gaff erwartete. Zack, gegafft und dann ueber die Bordwand gezerrt. Super! Der zweite Butti fuer Mutti! Wir freuten uns ueber diesen schoenen Fang.
Wir schleppten noch 1-2h ohne jeden Fischkontakt weiter. Wir hoerten den anderen Booten ueber Funk zu – gleiche Story, wie ausgestorben. Keiner fing mehr Lachse. Das musste was mit den Wasserbedingungen zu tun haben. Es lag gerade eine aussergewoehnliche Hitzewelle ueber der Westkueste; unten in Kalifornien hatten sie Temperaturen ueber 40 Grad und auch hier war es ueber 30. Vielleicht hatte das diese Algenbluete ausgeloest. Als Sichtjaeger moegen Lachse kein truebes Wasser und zogen daher vielleicht weiter raus oder tiefer oder frassen einfach nicht. Schade! Hatte ich hier in Nootka auch noch nicht so erlebt. Vor Jahren weiter suedlich, im Barkley Sound, vor Bamfield, hatten wir schon mal so ein Event. Das dauerte einige Wochen und versaute vielen Anglern die Saison.
So beschlossen wir, vorerst das Lachsangeln abzubrechen und etwas auf Riffische zu pilken. Ich suchte uns ein paar flache Kanten und Untiefen in 20m Tiefe und die zweite Stelle war ein Volltreffer. Alex liess runter – Rute krumm. Ricardo kam unten an – Rute krumm. Beide Fische nahmen sogar etwas Schnur; das mussten Lingcods sein. Zwei massige aber nicht sonderlich grosse Lings kamen hoch und wir beschlossen die wieder freizulassen. Wenn wir einen von einem Meter fingen, wuerden wir einen mitnehmen. Aber diese 70 cm Lings durften noch weiterwachsen. Lings erleiden auch kein Barotrauma und ueberleben C&R wunderbar sofern sie nicht tief oder in den Kiemen gehakt waren. So schnell wie die Jungs die Koeder runterliessen, fingen sie weitere Lings. Sie wurden nun immer kleiner und waren am Ende der Drift schon untermassig. Aber die beiden mussten wohl an die 10 Lings von dieser Kante hochgeholt haben. Ein produktives Revier. Und die Algenbluete machte den Lings wohl nicht so viel aus wie den Lachsen. Davon ermutigt, schlug ich vor zu den uns bekannten Grossfischstellen am Fjordausgang zu fahren. Die erste Stelle was eine kiesige Untiefe in etwa 30 m Tiefe mit 40plus m ringsherum. Diese Stelle war nur auf der detailierten Navionics Karte eingetragen und daher nicht sehr bekannt und befischt. Dort hatten wir das letzte Mal vor 3 Jahren viele Heilbutte, Rochen und auch Lings beim Pilken gefangen. Eine Sternstunde des Pilkens.
Es war nun zu der Duenung auch noch etwas Nachmittagwind aufgekommen und diese Stelle war leider sehr den Elementen ausgesetzt. Wir versuchten zwei Driften aber es war schwer am Grund zu bleiben. Ich half mit Motorkraft etwas nach aber so richtig gut befischen liess sich die Stelle heute nicht. Die Jungs bekamen auch keinen Biss und so fuhren wir bald weiter an eine uns bekannte Grosslingstelle. Dort gab es eine sehr steile Felskante, ein bisschen wellengeschuetzt, an der aeussersten Schaereninsel. Alex montierte einen Monstertwister und Ricardo hatte seinen 300g Lieblingspilker. Beides wurde mit einem kleinen Lachshautfetzen garniert um ein bisschen Geruchsverlockung hinzuzufuegen. Ich stoppte das Boot bei 35m und die Jungs liessen runter. Schnell drifteten wir auf ueber 50m runter wo man kaum noch Bodenkontakt bekam. Wir machten diese Drift 2 oder 3 Mal und dann hatte ich mich auf die Bedingungen eingestellt und wir bekamen jetzt eine nahezu perfekte Drift ueber und entlang der Kante hin. Da! Alex’ Rute wurde nach unten gerissen. Fish on! Heftige Kopfstoesse liessen erahnen, dass das ein guter Fisch war. “Keine Schnur lassen bis Du den Kerl von seiner Hoehle weggezerrt hast”, hatten wir Alex vorher noch mal eingeblaeut. Hier, bei der schnellen Drift ins Tiefe, brauchte man nur ein paar Sekunden festhalten und schon war mal in 10m tieferes Wasser abgedriftet. Alex versuchte zu pumpen aber jetzt verlor er erstmal ein Stueck Schnur. Das musste ein richtig guter Ling sein! Jetzt pumpte er aechzend seinen Gegner hoch. Wir blickten schon gespannt ins Wasser. Jetzt gab der Fisch nochmal Gas und dann passierte es… Widerstand weg! Waaass? Koeder, alles weg. Ich inspizierte das zerrissene Vorfach. Durchgescheuert. Wahrscheinlich an den Zaehnen. Der musste den grossen Koeder voll inhaliert haben und dann das 80# Monovorfach zwischen den Zaehnen gehabt haben. Oder es war schon vorher an Felskanten angekratzt worden. Sehr, sehr schade!
Wir machten die Drift nun noch etliche Male. Was uns nun auch auffiel, war, dass wir keine Felsenbarsche fingen. Keinen einzigen! Normalerweise hatten wir hier sonst Dutzende als Beifang. Sehr komisch. Dann wurde ploetzlich Ricardo laut und stand mit vollkrummer Rute da. Na also! Auch er kaempfte nun mit etwas Gewichtigem. Die kraeftige Heilbuttrute war maximal gebogen und er stoehnte auf als der Ling Schnur nehmen wollte. Noch nicht, halt fest! Er hievte den Fisch schon ein paar Meter hoch aber dann kam der Gegenangriff und die Rolle sang kurz… und dann war dieser Spass auch schon wieder vorbei. Ausgestiegen. Mist! So ein Pech aber auch heute! Wir versuchten es noch eine paar Mal, fuhren dann zu einer nahen anderen Topstelle, die aber auch nicht produzierte, und kamen dann nochmal zur Kante zurueck. Vielleicht hatten sich die zwei grossen Lings schon beruhigt und waren fuer eine weitere Attacke bereit. Nach paar Versuchen rief Alex ploetzlich, Fish on! Aha! Und wieder war seine Rute bis zum Bersten gespannt. Diesmal aber keine Kopfstoesse – nur sauschwer, meinte er. Aber es kam langsam hoch. Wir waren gespannt. Alex war Muckibuden trainiert und konnte Einiges stemmen aber das hier war selbst an seiner Grenze. Aber er gab nicht auf und hievte, was auch immer, Zentimeter um Zentimeter, hoch. Etwas braunes, langes tauchte auf. Hae? Ein fettes Schiffstau mit allerlei Meeresbewuchs kam hoch. Wow. Wir zogen das fette Tau mal rein um zu sehen ob vielleicht eine Schatztruhe am anderen Ende dran war. Leider nicht. Nur ein vielleicht 30m langes Tau von mindestens 5 cm Durchmesser. Kein Wunder das das schwer war! Mit gemeinsamen Gelaechter und Kopfschuetteln packten wir dann ein und fuhren zum Resort zurueck.
Nach einer Pause und einem Grillabendessen fuhren wir nochmal zu einer Sonnenuntergangstour vor die Kueste. Das Wasser war immer noch braun und trueb und so blieben unsere Hoffnungen gedaempft. Es war ein herrlicher Sommerabend aber wir konnten in 2h keinen Lachsbiss erzwingen.