26.8. 2021; Sooke
So jedes Jahr oder so kriege ich mal so ein Gefuehl aus dem Blauen heraus, dass genau jetzt die Fische beissen. Und hin und wieder hatte mir dieses Bauchgefuehl schon Sternstunden am Wasser gebracht. Das gab es schon in Deutschland beim Fluss oder Seeangeln, in Norwegen im Fjord oder auf meinen Reisen wo immer eine Angelrute im Gepaeck dabei ist. Und auch hier in BC hat mich diese Eingebung schon an herrliche Fische gefuehrt. Das ist eben der 7. Sinn eines Vollblutanglers!
Vor eineinhalb Wochen kribbelte mich Mittwoch abends so ein Gefuehl. Die Berichte von anderen Anglern vor Sooke waren gemischt; ein paar Tage zuvor hatte es gerappelt, dann folgte wieder eine Ruhepause – was typisch ist fuer Wanderfische. Die sind heute hier und morgen dort und die Fischerei bleibt selten mal mehr als ein paar Tage konstant. Ich schaute mir die Gezeiten an – aber daher konnte mein Bauchgefuehl eigentlich nicht stammen: es ebbte den ganzen Morgen. Da fischt man die Kehrstroemungen wo man hofft, dass die Fische bis zur naechsten Flut ausharren, die sie dann weiter Richtung Heimatfluss bringt. Bei Flut auf Lachs angeln ist immer vielversprechender da man sich auf dem Lachshighway platzieren und warten kann, bis die Lachse vorbeiziehen – wenn sie denn da sind.
Der Wind sah fuer Donnerstag gut aus, mein Arbeitskalendar konnte umsortiert werden um mir den Tag freizuschaufeln. Mein Boss ist auch Angler, das hilft bei solchen Hauruckaktionen! Leider konnte keiner meiner Jungs so kurzfristig und so musste ich alleine losziehen. Ich liess wieder bei Sunny Shores das Boot zu Wasser, legte auch wieder die Krabbenfalle unterwegs aus und fuhr dann straks zum Otter Point. Ich hoffte, dass mitten in der Woche nicht ganz so viel los waere aber es waren noch Ferien und viele Angler hatten sich lange auf August gefreut. Es waren locker 30 Boote am Otter Point. Da alleine durchzuschippern und vielleicht noch Grosslachse zu drillen, war schon eine Herausforderung. Ich hatte keine Koederfische dabei und setzte nur auf Kunstkoeder. Die UV Flash Fly, die letztes Wochenende schon zugeschlagen hatte, kam auf jeden Fall wieder zum Einsatz. Dazu mein treuer Nootkablinker.
Ich setzte beide Ruten noch vor dem Otter Point ein und schleppte dann zuegig mit der Ebbstroemung in die Armada rein. Ich erkannte eine Menge Boote; 3 oder 4 der Top-Sooke-Guides waren hier – immer ein gutes Zeichen. Auch Graham, der mit uns vor paar Wochen am Barkley Sound war, schleppte mit seinem 11 jaehrigen Sohn hier. Ich hatte gerade vielleicht die Haelfte der Uferstrecke abgeschleppt, da sah ich die Flash Fly Rute hochrucken, ausloesen und loswippen. Jawoll! Das geht ja fein los heute! Ich schlug an und fuehlte guten Widerstand. Jetzt bloss aufpassen; ich hatte Boote 10-20m hinter mir und dicht vor mir und etwas weiter draussen kam die andere Haelfte der Flotte im Gegenverkehr wieder vorbei. Jetzt war es ein grosser Vorteil, dass ich das zusaetzliche Hecksteuer und eine Drehzahlfernsteuerung hatte. So konnte ich das Boot von der hinteren Steuerbordecke waehrend des Drills bedienen. Ich drehte sofort aus der Schleppschleife heraus Richtung tiefes Wasser. Das Boot hinter mir drehte zum Ufer ab und liess mir Raum.
Mein Fisch hatte ein bisschen Schnur genommen aber nicht viel, was hilfreich war in diesem Gedraenge. Ich machte auch maechtig Druck auf den Fisch und fuhr ihm noch quasi hinterher da er ins Tiefe abdrehte. Die Gegenverkehrflotte sah was los war und machte hoeflich Platz. Und so konnte ich den Fisch ohne grosse Aufregung zum Boot drillen. Der Fisch buechste immer mal wieder aus aber ich merkte schon, dass es kein Riese war. Ich konnte nur einen Chinook behalten – also wuerde ich waehlerisch sein. Mein groesstes Ziel war nicht unbedingt den groessten Fisch mitzunehmen sondern ich wollte nur markierte Chinooks oder wenn einer toedlich verletzt waere.
Ich sah den Burschen dann bald – der hatte um die 10 Pfund. Der Haken hing gut im Maulwinkel und dieser Fisch waere ein guter Release-Kandidat gewesen. Allerdings sah ich auch, dass die Fettflosse fehlte. Das war also ein Lachs aus einer Brut-und Aufzuchtsstation. Und da wir lokalen Angler das Sooke Chinook Net Pen Projekt unterhielten, wollten wir gerne wissen, wieviele von unseren vor 3-4 Jahren ausgesetzten Lachsen ueberlebt haben. Dafuer mussten wir markierte Chinooks toeten und die Koepfe zum Ministerium einreichen (jede Marina hat eine Kuehltruhe dafuer bereitstehen). Also fuer die Wissenschaft musste dann dieser erste Chinook heute dran glauben.
Damit konnte ich dann heute hoechstens noch markierte Cohos oder Pinks behalten. Nun gut. Nachdem ich den Fisch versorgt hatte, vollendete ich meine Otter Point Schleife, entschied dann aber diese Tour nicht nochmal zu wiederholen sondern die Stelle zu wechseln. Ich sah das weiter westlich am Muir Creek nur wenig Boote waren und dass das mir einen wesentlich entspannteres Angeln bringen wuerde. Auch wenn es schwer ist eine produktive Stelle so schnell zu verlassen; Otter Point und Muir Creek waren dicht beieinander und wenn Otter Point lief, ging meistens auch was am Muir Creek. Und beide Stellen waren auch bei Ebbe faengig.
Ich schleppte gleich hinueber was mich 45 Minuten ohne Biss kostete. Da waren vielleicht 5 oder 6 andere Boote die die klassische Muir Creek Scharkante abschleppten. Ich reihte mich ein. Ich hatte mir gerade ein Sandwich herausgeholt als ich wieder die gleiche Rute losrucken sah. Das sah nach was Kleinerem aus und wurde auch ein untermassiger Chinook. Aber immerhin war Leben hier. Gerade biss ich wieder in meinen Sandwich als die gleiche Rute wieder anruckte und auch gleich ausloeste. Das war was Groesseres! Ich schmiss mein Brot wieder hin und stuerzte los. Ich ruckte noch an und dann erwischte mich schon ein kraeftiger Zug nach hinten und die Rolle liess widerwillig Schnur los. Ich schaute mich um – Platz ohne Ende um mich herum, klasse! Ich drehte den Motor etwas herunter aber in diesem Moment drehte der Fisch um und schoss auf’s Boot zu. Sofort drehte ich den Motor wieder hoch und kurbelte wie verrueckt aber 2 oder 3 Sekunden mit schlaffer Schnur waren genug um den Fisch zu verlieren. Brrrrr, so ein Mist!
Bald schleppte ich auf eine Ausbuchtung der Scharkante zu. Alle Boote fuhren hier einen Bogen um bei der gleichen Tiefe zu bleiben. Ich verschlief den Bogen etwas und mein Downriggerblei ratterte ploetzlich ein paar Meter hart ueber Grund. War nicht weiter tragisch da es hier nur Sand und Kies am Boden gab. Aber ich zog trotzdem den Rigger paar Meter hoch. Dabei loeste ploetzlich die Rute aus – wieder die Flash Fly Rute. Nanu? Wie geht denn das? Aber nach einer stutzigen Sekunde wurde alles klar – ein Fisch hatte im Moment des Hochholens gebissen! Und kein Schlechter! Ich genoss wieder den Drill eines feisten Lachses. Er nahm 2 Mal ordentlich Schnur und ich war mir sicher, dass es ein guter Chinook sein wuerde. Ein Coho dieser Gewichtsklasse waere ein absoluter Ausnahmefisch. Ich liess mich ganz langsam ins tiefere Wasser treiben und drillte den Fisch in Ruhe aus. Ich musste ihn ja eh wieder freilassen. Dabei konnte ich ein paar Fotos schiessen. Ein Silberpacket von etwa 14-15 Pfund. Als ich ihn muede am Boot hatte, griff ich nur kurz das Vorfach und hakte den Fisch mit der langen Zange ab. Er schwamm noch eine Sekunde mit dem Boot mit und kurvte dann langsam nach unten. Feine Sache!
Das waren nun schon mehrere Bisse nur an der Flash Fly. Ich sagte mir: “Wenn der naechste Biss wieder an diesem Koeder kam, wechsle ich den Blinker mit noch einer Flash Fly aus.” Ratet mal was 10 Minuten spaeter passierte? Ein paar leichte Rucke an der Flash Fly Rute, die ich mit einem beherzten Anschlag quittierte und schon ging die Post ab! Wieder ein feister Chinook! Was fuer ein Spass und ich musste die Fische mit niemanden auf dem Boot teilen! Dieser Chinook war sogar noch ein Stueck groesser und vielleicht knappe 20 Pfund. Wieder ein Markierter aber ich konnte keinen Chinook mehr behalten. Nachdem der Lachs wieder frei war, holte ich nun auch die Blinkerrute ein und haengte eine zweite Flash Fly ein. Die bissige Rute lief auf 24m und so stellte ich die 2. Rute auf 20m. Nicht dass ich einen Doppelbiss erzwingen wollte, aber unbedingt verhindern wollte ich diese ultimative Herausforderung auch nicht. Mein Sandwich war immer noch nicht komplett weg da zog zur Abwechslung diesmal die andere Rute los. Und wie! Als ob der Fisch die Rute gleich ins Wasser ziehen wollte.
Dieser Fisch fuehlte sich ein wenige anders an – war auch nicht so schwer. Es kam ein ordentlicher, vielleicht 7 pfuendiger, Coho ans Boot. Unmarkiert, leider, also auch kein Keeper. Aber immerhin, Cohos waren also auch unterwegs! Ich dachte, dass das bis jetzt wirklich eine gute und abwechslungsreiche Angelei gewesen war, aber ich konnte nicht ahnen, dass es jetzt erst richtig losging. Ich sah nun auch ein paar der anderen Boote in Drills verwickelt, konnte mich aber nicht richtig darauf konzentrieren denn ich verbuchte jetzt Bisse auf beiden Ruten im Minutentakt. Und alles grosse Brocken! Einige der Chinooks waren schon jenseits der 20 Pfund Marke, die meisten aber so zwischen 15 und 18 Pfund – geschaetzt. Ein paar bissen ganz leicht und ueberraschten mich beim Anschlag, aber ein paar wollten mir wohl den Rutenhalter gleich mit rausreissen. Es war der reine Spass! Ich drillte vielleicht 9 oder 10 grosse Burschen, hatte viel Platz, ein spiegelglattes Meer und letztendlich schmerzende Arme! Was gibt es Besseres?
Einmal hatte ich gerade einen guten Fisch neben dem Boot abgehakt und sah ihm beim Wegschwimmen bewundernd nach als ich von einem Nachbarboot laute Rufe hoerte. Ich drehte mich fragend um – sah ein Boot vielleicht 30m neben mir – alle mit Arme fuchtelnd auf mich weisen. Da sah ich meine zweite Rute schon horizontal nach hinten gerissen und die Rolle leise und widerwillig Schnur auslassen. Wow! Der wollte wirklich weg! Ich winkte dem Boot dankend zu und widmete mich wieder einem sportlichen Drill. Unglaublich! Das war das Naechste an einem Doppelbiss. Und ich muss gestehen, dass ich als Soloangler das Nacheinanderbeissen durchaus dem Chaos eines Grosslachs-Doppelbiss bevorzugte. Ein paar Bisse gingen noch daneben oder ich hatte noch fuer paar Sekunden Kontakt bis der Fisch ausstieg. Alles in allem eine Traum-Chinookfischerei!
Der letzte, ich glaube es war der 10., den ich fing, schoss den Vogel ab. Wieder ein kraeftiger Ruck an der Rute, die Schnur kam sofort aus dem Clip heraus und ich wusste, dass es ein ordentlicher Fisch sein musste. Als ich anhieb, blieb der Haken in etwas Schwerem haengen und ich fuehlte erstmal nur das Wuppen kraeftiger Kopfstoesse. Der hatte Drehmoment hinter sich. Der fuehlte sich groesser an. Es folgten vielleicht nicht rekordverdaechtig lange aber brutale Fluchten. Der war gross!
Ich hatte ja nun schon eine Unmenge an Uebung und drillte auch diesen Fisch routiniert; war aber gespannt was hier zum Vorschein kam. Als der Fisch das erste Mal ca. 20m hinter dem Boot die Oberflaeche durchbrach, wurde ich doch nochmal ein bisschen nervoes. Der schob eine gewaltige Bugwelle! Das war sicher der Groesste heute. Er schoss nochmal tief aber dann aber kam er friedlich zum Boot. Ich musste ihn nur noch an den Motoren vorbei an die Seite des Bootes ziehen. Da lag er nun, ein Prachtstueck eines reifen Chinooks! Kraeftig, schon einen goldenen Hauch, einen Laichhakenansatz und gemeine Zaehne die aus dem Kiefer starrten. Der koennte um die 30 Pfund sein. So gerne ich meinen 9 jaehrigen Tyeefluch beendet haette, aber ohne ihn zu toeten koennte ich nie genau bestimmen ob er die 30 Pfund reissen wuerde. Da ich keinen Chinook mehr behalten durfte, kam das natuerlich nicht in Frage. Aber auch so haette ich mich wahrscheinlich nicht dazu durchringen koennen dieses herrliche Tier nur zur Gewichtsbestimmung zu toeten. Brauchen wuerde ich ihn nicht wirklich. Wie heisst es so schoen: “Take only what you need.”
Der Haken hing leicht loesbar im Maulwinkel und einmal frei zog der Brocken majestaetisch ab. Fantastisch! Ich war begeistert, erschoepft und gluecklich. Was soll da noch kommen? Ich beschloss hier abzubrechen. Ein Tag, der mir immer in Erinnerung bleiben wird. Schade nur, dass ich das nicht mit jemandem hatte teilen koennen. Aber dann wieder war es auch schoen, das ich das mal ganz fuer mich alleine hatte haben koennen. Die Krabbenfalle hatte neben ein paar Weibchen (geschont) ein Maennchen, dass vielleicht 2-3 mm zu klein war. War das etwa die selbe Krabbe vom letzten Wochenende?
Am Schlachttisch traf ich einen alten Angelexperten, Rick, der mit seinem Kumpel oestlich vom Sooke Fjord geangelt hatte und nur wenig Action angetroffen hatte bis er weit draussen offshore einen Cohoschwarm gefunden hatte. Er staunte ueber meine Geschichte und wir sahen wieder wie unberechenbar Lachsangeln sein kann. Das Wichtigste ist an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit zu sein. Koederfarbe, Koedergroesse, Vorfachlaenge, selbst Wetter und Licht etc. das sind alles nur zweitrangige Faktoren. Aber mein Bauchgefuehl hatte wieder mal Recht gehabt!